Energieverlust (y-Achse) im Vergleich zum Biomasseertrag (x-Achse) für verschiedene Mikroorganismen und Stoffwechseltypen (Farben und Symbole). Die gestrichelte Linie stellt die lineare Korrelation zwischen Energieverlust und Biomasseertrag dar und zeigt, dass alle Mikroorganismen die gleiche Energiemenge verbrauchen, um eine Einheitsmasse ihrer selbst zu erzeugen.nt of energy to grow a unit mass of themselves. © Cosetto et al., Nat Commun 16, 8543 (2025) / MPI-CBG
Leben gibt es fast überall auf der Erde. Die Fähigkeit von Lebewesen, sich an unterschiedliche Umgebungen anzupassen und zu überleben, beruht vor allem auf dem Zellstoffwechsel – einem komplexen Netzwerk chemischer Reaktionen, durch das Nährstoffe in Masse und Energie umgewandelt werden.
Der Stoffwechsel gewährleistet einen ständigen Fluss von Energie und Materie, der für Zellen lebenswichtig ist. Daher spekulierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass die Thermodynamik grundlegende Einschränkungen für die Fähigkeit des Lebens zur Selbsterhaltung vorgibt. In der Thermodynamik gilt erstens, dass Energie nur ihre Form ändern kann, aber weder erzeugt noch vernichtet werden kann. Zweitens muss bei jeder Nutzung von Energie ein Teil davon verschwendet werden – in eine Form umgewandelt werden, die nicht mehr genutzt werden kann. Organismen müssen also vorsichtig sein: Sie müssen Energie einsetzen, um zu wachsen, aber wenn sie zu viel verschwenden, könnte ihnen die Energie fehlen. Wie Organismen Energie für ihr Wachstum nutzen und wie dieses Wachstum durch die Thermodynamik eingeschränkt wird, ist jedoch noch weitgehend unbekannt.
Die Gruppe um Jonathan Rodenfels am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden und die Gruppe von Pablo Sartori am Gulbenkian Institute for Molecular Medicine in Oeiras, Portugal, wollten herausfinden, wie die Gesetze der Thermodynamik das Zellwachstum beeinflussen. Das Team fand heraus, dass ein Black-Box-Ansatz der Schlüssel zur Lösung dieses Problems sein könnte. Dieser in der Biotechnik gängige Ansatz ermöglicht es Forschenden, mit minimalen Informationen zu arbeiten. Er beschreibt zwar nicht, wie Energie innerhalb der Zelle verarbeitet wird, aber er ermöglicht es, zu berechnen, wie viel Energie verschwendet wird.
Tommaso Cossetto, leitender Autor der Studie und ehemaliger Postdoktorand in den Gruppen von Rodenfels und Sartori, erklärt: „Wir haben diese Methode auf einen großen Datensatz aus vielen verschiedenen veröffentlichten Studien angewendet und damit quantifiziert, wie viel Energie von Mikroben während ihres Wachstums abgegeben oder verschwendet wird. Anschließend haben wir diese Daten mit Hilfe des Nichtgleichgewichtssystem in der Thermodynamik – einer Theorie aus der Physik – analysiert.“
Ihre in Nature Communications veröffentlichte Studie identifiziert zwei thermodynamische Regeln, die das Wachstum und die Energienutzung einzelliger Organismen, darunter Archaea, Bakterien und Hefen, bestimmen. Verschiedene Arten von Mikroorganismen verbrauchen etwa die gleiche Menge an Energie, um eine Einheit Biomasse zu produzieren. Dies gilt unabhängig davon, ob sie Sauerstoff, anorganische Moleküle oder Fermentation als Stoffwechselstrategie für ihr Wachstum nutzen. Als zweite Regel fand das Team jedoch heraus, dass die Verwendung von Sauerstoff mehr Energie zur Produktion von Biomasse erfordert. Dies macht die aerobe Atmung, den Prozess, bei dem eine Zelle Sauerstoff zum Wachstum nutzt, zu einer effizienteren Wachstumsmethode für Zellen als die anaerobe Atmung oder Fermentation, da der Energieverbrauch einen geringeren Anteil der benötigten Energie ausmacht.
„Unsere beiden empirischen Regeln sind eine lang gesuchte Verbindung zwischen Stoffwechsel und Thermodynamik“, sagen Jonathan Rodenfels und Pablo Sartori, die die Studie betreuten. „Wir haben festgestellt, dass es grundlegende Grenzen dafür gibt, wie Zellen wachsen und funktionieren können. Unsere Ergebnisse basieren auf Beobachtungen und Daten, aber wir verstehen die molekularen und mechanistischen Gründe für diese Grenzen noch nicht. Weitere Forschungsarbeiten werden uns helfen, zu verstehen, wie Zellen funktionieren und wie sie verbessert oder optimiert werden können.“
Tommaso Cossetto, Jonathan Rodenfels & Pablo Sartori: Thermodynamic dissipation constrains metabolic versatility of unicellular growth. Nat Commun 16, 8543 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-62975-5