Strömung durch Gelbildung

Dresdner Forscher zeigen, dass Gelbildung die richtige Architektur der mitotischen Spindel ermöglicht.

Simulation der bipolaren Spindelbildung: Zwei sich verzweigende Mikrotubuli-Netzwerke mit entgegengesetzter Polarität treffen aufeinander, wodurch eine Region mit gemischter Filamentpolarität entsteht. Molekulare Motoren gelieren die Struktur, koppeln die beiden Netzwerke und treiben sie aktiv rückwärts. Dies führt zu aktiven polwärts gerichteten Bewegungen, wie sie auch bei Xenopus-laevis-Spindeln beobachtet werden. Copyright: Dalton et al. Nature Physics, 10 February 2022 / MPI-CBG

Die mitotische Spindel ist eine Struktur in der Zelle, die sich während der Zellteilung bildet. Sie teilt die Chromosomen auf die beiden zukünftigen Tochterzellen auf. Spindeln bestehen aus dynamischen Filamenten, den Mikrotubuli, die von molekularen Motoren ständig in Richtung der beiden gegenüberliegenden Pole der Spindel transportiert werden. Allerdings verstehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer noch nicht, wie diese polwärts gerichteten Ströme entstehen und wie sie zur Selbstorganisation der Spindel beitragen.

Forschende der Gruppe von Jan Brugués am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG), dem Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme (MPI-PKS) und dem Zentrum für Systembiologie Dresden (CSBD) haben gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Frank Jülicher am MPI-PKS untersucht, wie solche polwärts gerichteten Strömungen in Spindeln entstehen. Bereits 2018 gelang es der Brugués-Gruppe zu demonstrieren, dass die Größe von Spindeln durch die Verzweigung von Mikrotubuli gesteuert wird: In der Nähe der DNA verzweigen sich neue Mikrotubuli von ihren Mutter-Mikrotubuli wie Äste in einem Baum. Allerdings führt dies dazu, dass sich die Mikrotubuli nach außen verzweigen, während sie sich in wirklichen Spindeln nach innen verzweigen, um während der Zellteilung mit den Chromosomen zu kooperieren.

In der aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlicht wurde, kombinierten die Wissenschaftler in-vitro-Experimente mit physikalischen Modellen. Damit konnten sie zeigen, dass die polwärts gerichteten Ströme zusammen mit der Gelbildung, (angetrieben durch motorische Vernetzung) die richtige Verzweigung der Mikrotubuli nach innen ermöglichen, so wie sie in Spindeln zu sehen ist. Benjamin Dalton, einer der Autoren der Studie, erklärt: „Die Spindel ist eine hochdynamische Struktur, deren Bausteine innerhalb von Sekunden ständig neu gebildet, transportiert und zerstört werden. Dennoch kann die Spindel bis zu einer Stunde lang existieren, und die Mikrotubuli-Ströme sind in der gesamten Struktur bemerkenswert stabil. Es ist schwierig, diese Dinge zu vereinbaren.“ David Oriola, ein weiterer Autor der Studie, erklärt: „Indem wir die Bewegung einzelner Mikrotubuli mithilfe der Fluoreszenzmikroskopie verfolgten, entdeckten wir, dass sich die Spindel nicht wie eine einfache Flüssigkeit verhält, sondern eher wie ein Gel.“ Durch die Kombination von groß angelegten Simulationen mit experimentellen Daten fanden die Forscher heraus, dass die Gelbildung für die Bildung der polwärts gerichteten Ströme notwendig ist. Außerdem sind diese Ströme wiederum dafür verantwortlich, das Mikrotubuli-Netzwerk so zu organisieren, dass die Mikrotubuli nach innen statt nach außen zeigen.

Original Publication

Benjamin A. Dalton, David Oriola, Franziska Decker, Frank Jülicher, and Jan Brugués: A gelation transition enables the self-organization of bipolar metaphase spindles. Nature Physics, 10 February 2022, doi: 10.1038/s41567-021-01467-x