Weniger Zufall für mehr Robustheit

Forscher zeigen, wie Zellen zufällige Ereignisse in biochemischen Prozessen ausgleichen können

HeLa-Zellen, die unterschiedliche Ausprägungen von fluoreszierenden Proteinen zeigen. Die verschiedenen Konzentrationslevel werden durch unterschiedliche Farbintensität (gelb, orange und violett) dargestellt. Das phasentrennende Protein (rechtes Bild), das Flüssigkeitströpfchen (helle Scheiben) bildet, zeigt eine ähnliche Intensität zwischen den einzelnen Zellen. © Adam Klosin, MPI-CBG

Biochemische Prozesse im Inneren von Zellen zeigen oft ein erhebliches Maß an Zufälligkeit. Die Genexpression ist in diesem Zusammenhang ein Paradebeispiel: Auch wenn zwei Zellen genetisch identisch sind, können die Konzentrationen der Proteine, die aus den Genen hergestellt werden, aufgrund zufälliger Ereignisse während der Ausführung und Übersetzung des genetischen Codes erheblich variieren. Wie Zellen es trotzdem schaffen, in Gegenwart dieses unvorhersehbaren "Rauschens" zuverlässig zu funktionieren, ist ein wichtige und zum Grossteil ungeklärte Frage.

Ein interdisziplinäres Forscherteam um Christoph Zechner, Gruppenleiter am CSBD und am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG), und Tony Hyman, Direktor am MPI-CBG, hat nun einen potenziell sehr effektiven Mechanismus zur Unterdrückung dieser Schwankungen in Zellen beschrieben. Gemeinsam mit Kollegen aus den Labs von Alf Honigmann (MPI-CBG) und Frank Jülicher (MPI-PKS) zeigten die Wissenschaftler theoretisch und experimentell, dass flüssige Tropfen zufällige Schwankungen der Proteinkonzentration unterdrücken können. Wenn eine Zelle zu viele Moleküle auf einmal hat, können sich überschüssige Moleküle in einem Kondensat sammeln, wo sie gespeichert werden. Fällt die Konzentration wieder ab, werden diese Moleküle aus dem Tröpfchen freigesetzt, um den Verlust an Molekülen auszugleichen. Diese "Molekülpuffer" bilden sich durch Phasentrennung, ein Prozess, bei dem sich die Moleküle in verschiedene flüssige Phasen auftrennen, wie z.B. bei der Trennung von Öl und Essig.

Florian Oltsch, einer der beiden Hauptautoren aus dem Zechner-Labor, sagt: "Wir haben zunächst ein theoretisches Modell entwickelt, mit dem wir untersuchen konnten, wie Schwankungen der Proteinkonzentration durch Flüssigkeitstropfen beeinflusst werden. Diese Theorie sagte voraus, dass für ein breites Spektrum von Bedingungen eine Reduzierung der zufälligen Schwankungen stattfinden sollte. Sein Kollege und Ko-Erstautor, Adam Klosin vom Hyman-Labor, fährt fort: "Es war sehr aufregend, als wir dann unsere theoretischen Vorhersagen in lebenden Zellen testeten. Tatsächlich stellten wir fest, dass die Schwankungen in der Proteinkonzentration erheblich reduziert wurden, sobald sich Tropfen bildeten. Die Phasentrennung scheint das zufällige „Rauschen“ in den Zellen zu reduzieren."

Christoph Zechner fügt hinzu: "Unser Projekt ist ein Paradebeispiel für den kooperativen und interdisziplinären Geist auf dem Johannstadt-Campus. Biologen und Theoretiker kombinieren ihre Kompetenzen und arbeiten eng zusammen. Unsere Arbeit stellt eine interessante Verbindung zwischen Phasentrennung und biologischer Robustheit her und wird daher für Wissenschaftler beider Fachgebiete relevant sein.“

Originalpublikation

A. Klosin, F. Oltsch, T. Harmon, A. Honigmann, F. Jülicher, A. A. Hyman, C. Zechner:
“Phase separation provides a mechanism to reduce noise in cells”,
Science, 24 January 2020, Vol. 367, Issue 6476, pp. 464-468 DOI: 10.1126/science.aav6691