Von Zellorganellen zu Neurodegeneration

Unerwarteter Zusammenhang zwischen einem Gen, involviert in die Krankheit ALS, und einem neuen Mechanismus zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress

Das Innere einer menschlichen Zelle bei oxidativem Stress: Die Mitochondrien sind durch einen chemischen Farbstoff (rot) und das Protein Rab5 mittels GFP (grün fluoreszierendes Protein) markiert. Das Bild zeigt Rab5, das eine ringförmige Struktur um die Mitochondrien bildet. © FoSheng Hsu / MPI-CBG

Das Innere einer menschlichen Zelle ist in Zellkompartimente – sogenannte Organellen -  unterteilt, die von Membranen umgeben sind. Jedes Organell hat eine besondere Funktion, die zur Gesundheit einer Zelle beiträgt. Auf der Oberfläche von Organellen sitzt jeweils eine individuelle Mischung aus molekularen Markern. Diese Marker verhelfen anderen Molekülen dazu, unterschiedliche Organellen zu erkennen. Bestimmte Organellen können miteinander kommunizieren und ihre Aktivitäten aufeinander abstimmen. Bisher war jedoch weitgehend unbekannt, wie Informationen zwischen den Organellen ausgetauscht werden. Um diese Frage zu beantworten, schauten sich FoSheng Hsu, ein Postdoktorand im Forschungslabor von Marino Zerial (Direktor am MPI-CBG), und seine Kollegen den Informationsaustausch zwischen Organellen an. Überraschenderweise entdeckten die Forscher eine direkte Verbindung zwischen zwei Arten von Zellorganellen, den Mitochondrien und den Endosomen. Diese Verbindung entsteht, wenn die Zellen einem hohen oxidativen Stress ausgesetzt sind - also toxische Stoffe in der Zelle überhandnehmen. Die Ergebnisse wurden im Open-Access-Journal eLife veröffentlicht. 

Mitochondrien sind Organellen, die menschliche Zellen nicht nur mit Energie versorgen, sondern auch den oxidativen Stress in Schach halten. Die überraschende Erkenntnis, dass Endosomen, die für die Sortierung von Materialien innerhalb der Zelle verantwortlich sind, auf eine physische Art und Weise mit Mitochondrien zusammenspielen können, brachte das internationale Team der Forschungsgruppe von Tony Hyman und Marino Zerial am MPI-CBG und des Parton Labors an der University of Queensland in Australien auf die Idee, die physiologische Relevanz dieses Phänomens eingehender zu untersuchen. 

Bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen funktionieren die Mitochondrien und Endosomen in Nervenzellen nicht richtig. Interessanterweise haben diese Zellen auch einen höheren oxidativen Stress. Die Forscher regten menschliche Stammzellen in Zellkultur dazu an, sich in Nervenzellen zu entwickeln. Dabei entdeckten sie, dass das Protein ALS2/Alsin, dessen Gen in der Juvenilen Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) mutiert ist, bei oxidativem Stress auf der Oberfläche von Mitochondrien lokalisiert ist. Darüber hinaus fungiert ALS2/Alsin als Vehikel, um ein Protein namens Rab5, das normalerweise auf Endosomen zu finden ist, zu den Mitochondrien zu transportieren. Diese Stressreaktion erweist sich als entscheidender Faktor, der über Leben und Tod der Neuronen bestimmt. 

In zukünftigen Experimenten soll nun untersucht werden, ob Defekte an Endosomen oder Mitochondrien, insbesondere an denen mit Molekülen wie ALS2/Alsin und Rab5, für andere neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Huntington verantwortlich sein könnten.

Originalpublikation

FoSheng Hsu, Stephanie Spannl, Charles Ferguson, Anthony A Hyman, Robert G Parton, Marino Zerial: Rab5 and Alsin regulate stress-activated cytoprotective signaling on mitochondria, eLife, 22 February 2018

doi.org/10.7554/eLife.32282.001