Verlust von Genen bei Pflanzen- und Fleischfressern

Wiederholte Evolution bei der Spezialisierung auf bestimmte Ernährungsweisen

© Claudia Schoder

Im Laufe der Evolution passten sich Säugetiere immer wieder an spezialisierte Ernährungsweisen an, darunter eine pflanzliche Ernährung bei Pflanzenfressern und eine Fleisch-basierte Ernährung bei Fleischfressern. Pflanzen- und Fleischfresser mussten sich an unterschiedliche Nährstoffzusammensetzungen, die Ihre Nahrung bietet, anpassen. Außerdem unterscheiden sich Pflanzen- und Fleischfresser in vielen Bereichen wie der Regelmäßigkeit der Nahrungsaufnahme, der Ausschüttung von Verdauungssekreten, der Menge an aufgenommenen toxischen Pflanzenstoffen und der Vielfalt der Bakterien im Darm. Viele dieser Spezialisierungen entwickelten sich unabhängig voneinander bei Säugetieren. Damit stellt sich die Frage, ob diese Spezialisierungen sich Pflanzen- und Fleischfresser durch ähnliche genetische Veränderungen entwickelt haben.

Michael Hiller vom MPI-CBG, dem Zentrum für Systembiologie Dresden und dem MPI für Physik komplexer Systeme suchte gemeinsam mit Kollegen systematisch nach Genen, die überwiegend bei pflanzenfressenden oder bei fleischfressenden Säugetieren verloren gegangen sind. Diese Suche ergab bemerkenswerte Fälle von wiederholten Genverlusten. Bei Pflanzenfressern fanden die Forscher den wiederholten Verlust eines Gens, das die Verdauung von Fettsäuren hemmt, was auf eine erhöhte Effizienz der Verdauung von Fetten hindeutet. Viele Pflanzenfresser haben außerdem ein Gen verloren, das für eine effiziente Ausschüttung von Verdauungssekreten benötigt wird und daher von Pflanzenfressern, die viele Stunden am Tag fressen und kontinuierlich Verdauungssekrete ausschütten, nicht mehr benötigt wird. Bei Fleischfresser fanden die Forscher wiederholt verloren gegangene Gene, die eine Rolle bei der Regulierung des Appetits und der Produktion von Glukose spielen. Da Fleischfresser auch weniger toxische pflanzliche Stoffe verdauen müssen, verloren sie wichtige Gene, die für die Entgiftung erforderlich sind. Weiterhin haben viele Fleischfresser ein Gen verloren, das eine Rolle bei der antimikrobiellen Immunantwort im Darm spielt, was wahrscheinlich mit einer reduzierten Vielfalt an Darmbakterien bei Fleischfressern zusammenhängt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wiederholte Verluste wichtiger Gene zeigen, dass ähnliche genetische Veränderungen bei der wiederholten Anpassung verschiedener Säugetiere an eine spezialisierte  Ernährung beteiligt sind.

Originalpublikation

Nikolai Hecker, Virag Sharma, and Michael Hiller. Convergent gene losses illuminate metabolic and physiological changes in herbivores and carnivores. Proceedings of the National Academy of Sciences Feb 2019, 201818504; DOI: 10.1073/pnas.1818504116