Proteine kontrollieren sich selbst

Selbstregulierung des Proteins Antp, um Rauschen bei Genexpression zu reduzieren

© Tomancak / Zechner / MPI-CBG / CSBD

Die meisten biologischen Prozesse sind zufälligen Schwankungen unterworfen. In vielen Fällen ist das daraus resultierende Rauschen schädlich für das biologische System und es haben sich spezifische Mechanismen entwickelt, um dieses Rauschen zu hemmen. Dies ist besonders wichtig für die Expression potenter regulatorischer Gene, die die Fähigkeit haben, das Schicksal von Zellen während der Entwicklung zu verändern. So hat beispielsweise der Drosophila-Transkriptionsfaktor Antennapedia (Antp) einen so starken Einfluss auf die Entwicklung, dass er Beine an Stellen erzeugen kann, an denen diese normalerweise nicht wachsen, wie z.B. anstelle der Antennen am Kopf einer Fliege. Angesichts dessen, ist es nicht überraschend, dass eine strenge Regulierung von Antp für die normale Entwicklung der Fliege ausschlaggebend ist.

Dimitrios Papadopoulos aus dem Forschungslabor von Pavel Tomancak am MPI-CBG beobachtete mit Hilfe der Fluoreszenzkorrelationsspektroskopie (FCS), mit der man die Bewegung einzelner Moleküle nachverfolgen kann, dass der Gehalt von Antp in verschiedenen Zellen zu Beginn der Entwicklung stark "verrauscht" ist, diese Unterschiede zwischen den einzelnen Zellen später in der Entwicklung aber wieder deutlich abnehmen. Papadopoulos untersuchte gemeinsam mit Kollegen des MPI-CBG und des benachbarten Zentrums für Systembiologie Dresden (CSBD) den Mechanismus, der den unterschiedlichen Gehalt von Antp in den Zellen unterdrückt. Das gelang mit einer Kombination von FCS, Fliegengenetik und mathematischer Modellierung. 

Sie fanden heraus, dass das Antp-Protein die Expression seines eigenen Genprodukts, der Antp mRNA, selbst steuert. Dieser Prozess wird üblicherweise als Auto-Regulierung bezeichnet. Antp kontrolliert sich selbst auf eine clevere Art und Weise. Während Antp schon früh in der Entwicklung, wenn die Unterschieden in den einzelnen Zellen noch hoch sind, die Expression seiner mRNA fördert, unterdrückt es diese später in der Entwicklung. Christoph Zechner, Forschungsgruppenleiter am CSBD, bestätigte anhand mathematischer Modellierung, dass dieser auto-regulatorische Regelkreis in der Lage ist, die Unterschiede des Antp-Gehaltes in den Zellen zu reduzieren. Sein Modell traf mehrere Vorhersagen, die anschließend von Papadopoulos experimentell bestätigt wurden.

Diese Studie zeigt, wie die Selbstregulierung, ein wichtiger Mechanismus zur Unterdrückung von Genexpressionsrauschen, sowohl positiv als auch negativ vom gleichen Ort aus für wichtige Transkriptionsfaktoren entwicklungstechnisch gesteuert werden kann. Außerdem zeigt diese Studie beispielhaft die Zusammenarbeit zwischen Experimentalisten und Theoretikern am MPI-CBG und am CSBD, die in der Zukunft zu vielen neuen und spannenden biologischen Erkenntnissen führen dürfte.

Originalpublikation

Dimitrios K. Papadopoulos, Kassiani Skouloudaki, Ylva Engström, Lars Terenius, Rudolf Rigler, Christoph Zechner, Vladana Vukojević, Pavel Tomancak. Control of Hox transcription factor concentration and cell-to-cell variability by an auto-regulatory switch. Development 2019 : dev.168179 doi: 10.1242/dev.168179