Mechanische Eigenschaften von Zysten

Neue theoretische Erkenntnisse zur mechanischen Beschaffenheit biologischer Materialien

© Shiheng Zhao and Pierre A. Haas / MPI-CBG / MPIPKS

Ähnlich wie das Eindrücken einer Tomate im Supermarkt ihre Frische offenbart, kann das Eindrücken einer Zyste aus Zellen die mechanischen Eigenschaften der Zellen, aus denen sie besteht, offenbaren. Solche Eindruckprüfungen sind wahrscheinlich die direkteste Methode, um Materialeigenschaften über verschiedene  Größenordnungen und Anwendungen hinweg zu untersuchen. Biologische Proben wie Zysten reagieren jedoch anders auf Krafteinwirkung als nicht lebende Materialien, da biologische Materialien sehr weich sind: Gewebe wie das Gehirn sind viel weicher als klassische „weiche“ Materialien wie Gummi. Daher sollte ihr Verhalten in Indentationstests nichtlineare Effekte zeigen. Diese Effekte werden jedoch in den aktuellen Modellierungen nicht berücksichtigt.

Shiheng Zhao und Pierre Haas vom Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme (MPIPKS), vom Zentrum für Systembiologie Dresden (CSBD), und vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) haben nun gezeigt, dass elastische Schalen mit komplexen Materialeigenschaften, wie beispielsweise Zysten von Zellen, sich unter Krafteinwirkung auf neue und unerwartete Weise verhalten können.

Die Autoren verwendeten numerische Simulationen, um zu zeigen, dass ihre exakten Berechnungen sogar das Verhalten realistischer experimenteller Geometrien vorhersagen können. Shiheng Zhao und Pierre Haas erweiterten ihre Ergebnisse auf Schalen unter Druck oder Vorspannung, die aus den kontraktilen Kräften des Zellskeletts resultiert, um das Skalierungsverhältnis von Eindrucktiefe und Eindruckkraft vorherzusagen.

Um ihre Vorhersagen zu überprüfen, analysierten die Forscher Daten von Zysten, die sich aus Madin-Darby-Hundenierenzellen (MDCK Zellen)—einer in der biomedizinischen Forschung weit verbreiteten Säugetierzelllinie—selbst bilden. Diese Zysten dienen als einfache Modelle für die mit Flüssigkeit gefüllten Fächer, auch Lumina genannt, die sich während Entwicklungsprozessen bilden. In diesen experimentellen Daten fanden die Forscher ihre vorhergesagten Skalierungsverhältnisse.

Die Studie bietet eine theoretische Grundlage für experimentelle Quantifizierung der mechanischen Eigenschaften von Zysten. Weitere experimentelle und theoretische Arbeiten sind erforderlich, um zu verstehen, wie diese mechanischen Eigenschaften aus verschiedenen zellbiologischen Prozessen hervorgehen.

Originalpublikation

Shiheng Zhao and Pierre A. Haas: Mechanics of poking a cyst. Phys. Rev. Lett. 134, 228402, 5 June, 2025, doi: https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.134.228402