Kraftstoff für das Gehirn

Stoffwechsel bei Säugetieren flexibler als bisher angenommen

© Katrin Boes / MPI-CBG

Unser Körper wird durch Glukose mit Energie versorgt. Wenn die Konzentration von Glukose sinkt, können unsere Zellen auf alternative Energiequellen wie Fettsäuren umsteigen. Allerdings kann das Gehirn Fettsäuren nicht direkt zur Energiegewinnung nutzen. Stattdessen können Fettsäuren in sogenannte Ketonkörper umgewandelt werden, die das Gehirn während des Fastens oder bei Glukosemangel verwenden kann. Während der Entwicklung hat das menschliche Gehirn ebenfalls einen hohen Energiebedarf und ist auf Ketonkörper als hauptsächliche Energiequelle angewiesen. Bisherige Studien haben daher angenommen, dass die Produktion von Ketonkörpern eine wichtige Rolle bei der Vergrößerung des menschlichen Gehirns während der Evolution gespielt hat.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie in der Fachzeitschrift eLife untersuchten Michael Hiller, Forschungsgruppenleiter am MPI-CBG, am Zentrum für Systembiologie Dresden und am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme, und David Jebb, Postdoc in der Gruppe, das für die Ketonkörperproduktion erforderliche Schlüsselenzym HMGCS2. Überraschenderweise fanden sie, dass dieses Enzym in drei verschiedene Gruppen von Säugetieren während der Evolution verloren gegangen ist: früchtefressende Fledermäuse, Wale und Delfine sowie Elefanten. Bei früchtefressenden Fledermäusen kann der Verlust dieses Enzyms deren Empfindlichkeit gegen Hunger erklären. Tatsächlich sterben diese Fledermäuse oft schon nach mehr als 24 Stunden ohne Nahrungsaufnahme. Im Gegensatz zu diesen Fledermäusen können Delfine und Wale sowie Elefanten längere Zeiten ohne Nahrungsaufnahme überstehen. Dies zeigt, dass sich bei Säugetieren im Laufe der Evolution alternative Strategien zur Versorgung eines „hungerten“ Gehirns entwickelt haben.

David Jebb, der Erstautor der Studie, erklärt: „Ein überraschendes Ergebnis war, dass Delfine und Elefanten, die als hochintelligent gelten und für ihre Körpergröße ein außergewöhnlich großes Gehirn haben, dieses Enzym verloren haben. Dies warf eine interessante Frage auf, ob die Ketonkörperproduktion vor oder nach der Vergrößerung des Gehirns während der Evolution verloren ging.“ Tatsächlich konnten die Wissenschaftler in dieser Studie zeigen, dass das HMGCS2-Gen zeitlich vor der Gehirnerweiterung bei Delfinen und modernen Elefanten verloren ging. Michael Hiller schlussfolgert: „Dies zeigt, dass im Gegensatz zum Menschen die Ketonkörperproduktion für die Gehirnerweiterung bei anderen Säugetieren nicht wesentlich war. Unsere Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass das Wissen über Mensch und Maus nicht immer auf andere Säugetiere übertragen werden kann.“