Weltkarten des Lebens in Echtzeit

Max-Planck-Forscher in Dresden verarbeiten Mikroskopie-Bilder in Echtzeit und projizieren Zebrafische auf Weltkarten

In dem neuartigen Mikroskop werden alle fluoreszierenden Zellen des kugelförmigen Zebrafischembryos auf eine Karte projiziert - wie Länder auf einer Weltkarte. Die Zellen werden automatisch erkannt und farblich hervorgehoben (obere Hälfte). Ihre Pfade lassen sich über mehrere Stunden verfolgen (untere Hälfte) und liefern so wichtige Erkenntnisse zum Verständnis der Organentwicklung. Quelle: MPI-CBG, Dresden

Heutige Mikroskope liefern immer schneller immer höher aufgelöste Bilder. Das bringt ein Problem mit sich: Bei jedem Experiment häufen sich Unmengen von Daten an, die irgendwo gespeichert und später ausgewertet werden müssen – bei den neuesten Geräten können es schnell 25 Terabyte sein, die täglich anfallen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden haben ihre Mikroskope so weiterentwickelt, dass diese die  Bilder in Echtzeit verarbeiten und nur noch das Ergebnis speichern – das reduziert die Datenmengen ungemein und vereinfacht die weitere Analyse.

„Mikroskope sind leider erst mal dumm“, sagt Jan Huisken, Gruppenleiter am MPI-CBG, der das Projekt - eine Zusammenarbeit mit Kollegen der Technischen Universität Dresden und der Universität Innsbruck - geleitet hat. Stur nehmen die Geräte große rechteckige Bilder auf, unabhängig davon, ob und wo die Bilder relevante Informationen enthalten. Am Ende entsteht so ein riesiger dreidimensionaler Datenblock, ein Abbild der Probe – ein Großteil davon ist jedoch Information, die niemand braucht die Datenmengen unnötig aufbläht und völlig umsonst gigantische Computerleistung auffrisst. Benjamin Schmid in Huiskens Team hat genau hier angesetzt und dem Mikroskop vor dem Experiment beigebracht, was wichtig ist und was nicht. Und das Mikroskop der Dresdner Forscher wurde intelligent: Nun scannt es nur die relevanten Daten ab, die Zellen auf der Oberfläche eines sich entwickelnden kugelförmigen Zebrafisch-Embryos. In Echtzeit werden die Daten prozessiert und ihr Volumen damit extrem reduziert.

Gespeichert wird also nun sofort das Ergebnis, nicht mehr die Rohdaten. Die Forscher konnten damit die angehäufte Datenmenge drastisch senken: Sie erreichten eine 240-fache Reduktion und schafften so den entscheidenden Schritt von Terabytes runter zu Gigabytes. „So kann man nun mehrere Experimente parallel machen – das ist es, was Biologen jetzt dringend brauchen und was die Systembiologie vorantreiben wird“, so Huisken. In seiner Arbeitsgruppe wurde die Verteilung und Bewegung von Zellen parallel in 12 wachsenden Zebrafisch-Embryonen mit der sogenannten Lichtscheibenmikroksopie (SPIM) beobachtet. Dazu wird Laserlicht zu einer hauchdünnen Ebene gebündelt, mit der man die Probe durchleuchtet. Innerhalb von nur 10 Sekunden wird aus den Daten der mikroskopierten Embryo-Kugel eine Karte aller markierten Zellen erstellt – mittels Projektion wird aus dem Globus eine Weltkarte des Lebens. Die Information aus allen 12 Experimenten wird schließlich in einer Darstellung verschmolzen, die darstellt welche Bewegungsablaufe allen Embryonen gemein ist.

Neben den biologischen Erkenntnissen haben die Experimente aber vor allem gezeigt, dass der innovative technologische Ansatz funktioniert und Mikroskope intelligent macht. Als nächsten Schritt wollen die Forscher auch andere Modellorganismen und Formen angehen.

Originalveröffentlichung

[Translate to Deutsch:] Benjamin Schmid, Gopi Shah, Nico Scherf, Michael Weber, Konstantin Thierbach, Citlali Pérez Campos, Ingo Roeder, Pia Aanstad, Jan Huisken:
High-speed panoramic light-sheet microscopy reveals global endodermal cell dynamics
Nature Communications, 25 July 2013