Vererbter Zellmüll

Max-Planck-Forscher zeigen, wie sich schadhafte Proteine in der Zelle zu einem großen Klumpen verbinden

Proteinaggregate aus schadhaftem Material sieht man hier grün eingefärbt.

Wenn sich Hefezellen teilen, dann geben sie nicht nur eine Kopie ihres Erbguts an die nächste Generation weiter, sondern auch einen ganzen Haufen Zellmüll – schadhafte Proteine, die nicht mehr gebraucht werden. Bestimmte Hefestämme können diesen Vorgang als Reaktion auf Stress sinnvoll steuern. Wie das genau abläuft, war bisher jedoch unklar. Forscher des Dresdner Max-Planck-Instituts haben jetzt eine ganz einfache Erklärung gefunden: Die problematischen Proteine verbinden sich zu einem großen Klumpen, wie ein Schneeball, der zur großen Lawine wird. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in der Zeitschrift PLOS Biology.

Wir alle vererben an unsere Kinder nicht nur tolle Sachen, sondern auch viel wertlosen Kram: alte Möbel, hässlichen Schmuck oder das Rolling Stones-Shirt, das sowieso niemand tragen wird. Die nächste Generation hat einen Vorteil: Sie kann die Sachen bei eBay verticken. Was aber machen Tochterzellen mit ungeliebten Sachen, die niemand will?

Die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae teilt sich asymmetrisch, die Ursprungszelle sortiert dazu mühevoll schadhaftes Zellmaterial, um eine Tochterzelle ohne Zellmüll hervorzubringen. Die Spalthefe Schizosaccharomyces pombe teilt sich symmetrisch und verhält sich etwas egoistischer: Sie halbiert den gesamten Zellmüll und verteilt ihn auf die beiden Tochterzellen. Sobald sie aber stressigen Umweltbedingungen ausgesetzt wird, wie etwa giftigen Chemikalien oder Hitze, entstehen mehr Proteinaggregate, eine Art Zellschrott, der in einigen Zellen angesammelt wird. Es werden also zwei Zellen generiert, eine davon erhält mehr von dem Müll: Schadhaftes Zellmaterial wird ungleich auf die entstehenden Zellen verteilt. Dies ist vor allem ein Überlebenstrick: Während die älteren Zellen schließlich sterben, überleben immerhin die jüngeren Zellen lange genug, um sich auch bei widrigen Umständen fortzupflanzen.

Wie dieser Vorgang reguliert wird, wollte die Arbeitsgruppe von Iva Tolic-Nørrelykke wissen. Dazu markierten sie die Proteinaggregate mit einem grün leuchtenden Protein, um sie besser beobachten zu können. Es zeigte sich: Die kleinen Batzen schwimmen frei in der Zelle herum und verbinden sich zufällig zu größeren Klumpen. Stress erhöht das Aufkommen der Aggregate, dementsprechend rempeln wie bei einem Schneeballsystem auch viel mehr dieser Aggregate ineinander und verklumpen viel schneller zu einem deutlich größeren Batzen – der dann so groß ist, dass er bei einer Zellteilung nur noch an eine der entstehenden Tochterzellen weitergegeben werden kann. Die Forscher entwickelten ein mathematisches Modell, das genau diesen Vorgang bestätigte.

Dieser Erklärungsansatz könnte auch für die Weitergabe von anderen Faktoren in der Zelle bei einer Zellteilung gelten.

Originalveröffentlichung

Miguel Coelho, Steven J. Lade, Simon Alberti, Thilo Gross, Iva M. Tolic:
Fusion of Protein Aggregates Facilitates Asymmetric Damage Segregation
PLOS Biology, 17. Juni 2014
doi: 10.1371/journal.pbio.1001886