HFSP Nakasone Preis 2021 für Anthony Hyman und Clifford Brangwynne

Preis für Entdeckung phasenseparierter Makromolekül-Kondensate

© Sven Döring

Das Human Frontier Science Program (HFSP) hat den HFSP Nakasone Award 2021 an Anthony Hyman vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden (Deutschland) und Clifford Brangwynne von der Universität Princeton und dem Howard Hughes Medical Institute (USA) verliehen. Die beiden Forscher erhalten den Preis für die Entdeckung eines neuen Zustands biologischer Materie, phasenseparierte Makromolekül-Kondensate, die eine wichtige Rolle bei der Zellorganisation, Genregulation, Signalgebung und Pathologie spielen.

Der HFSP Nakasone Award wurde ins Leben gerufen, um Wissenschaftler zu ehren, die wichtige Pionierleistungen in führenden Bereichen der Biowissenschaften erzielt haben. Der Preis würdigt die Vision von Japan‘s ehemaligem Premierminister Nakasone das HFSP als Programm zur Förderung internationaler Zusammenarbeit von Wissenschaftlern zu etablieren.

In ihrer Veröffentlichung aus dem Jahr 2009 konnten Cliff Brangwynne und Anthony Hyman zeigen, dass P-Granula, welche die Keimbahn in der Entwicklung von C. elegans festlegen, phasenseparierte Tröpfchen aus spezifischen Proteinen und RNAs darstellen und sich zu einem flüssigen Kondensat zusammenlagern, damit diese auf einer Seite der Eizelle gesammelt werden können. Diese Entdeckung zeigte, dass sich Zellorganellen auch ohne Hilfe von Membranen bilden können und war völlig unerwartet. Die Forscher erkannten die Wichtigkeit ihrer Entdeckung, da sie eine neue Form von biologischer Materie aufzeigte. Sie prognostizierten korrekterweise, dass diese phasengetrennten flüssigen Makromolekül-Kondensate in der Biologie weit verbreitet sind und vielfältige Rollen in normalen biologischen und pathogenen Prozessen spielen. In weiterführenden Studien entdeckten Brangwynne und Hyman auch, dass Nukleoli, die Ribosomenfabriken im Zellkern, ebenfalls phasengetrennte flüssige Kondensate darstellen - das zweite Beispiel nach den P-Granula.

„Die verblüffenden Entdeckungen von Anthony Hyman und Cliff Brangwynne sind ein Musterbeispiel dafür, wie die Biologie durch biophysikalische Prozesse geprägt ist“, sagt Warwick P. Anderson, HFSPO-Generalsekretär. „Die Forschung der HFSP Nakasone Award-Gewinner zeigt, wie wertvoll Grundlagenforschung für die Erweiterung der Wissensgrenzen in den Biowissenschaften ist.“

Phasentrennung in der Biologie ist heute der am schnellsten wachsende und aufregendste Forschungsbereich der gesamten Zellbiologie mit Hunderten von Laboren, die an diesem Thema arbeiten. Eine Reihe von bahnbrechenden Veröffentlichungen aus dem Jahr 2019 zeigte, dass der Phasentrennung von Transkriptionsfaktoren in menschlichen Zellen eine zentrale Rolle bei der Regulierung der Genexpression zugute kommt. Weltweit sind Kondensate ein Pioniergebiet in der zellbiologischen Forschung, mit Hunderten von Studien, die in renommierten Fachzeitschriften aus allen Bereichen der Biologie veröffentlicht werden. Kondensate spielen eine zentrale Rolle bei der Genregulierung, der Photosynthese, der Barrierefunktion der menschlichen Haut und vielen weiteren Aspekten der Biologie.

Die Arzneimittelforschung hat das Potenzial der Phasentrennungsbiologie schnell erkannt, und seither wurden mehrere Biotech-Unternehmen in diesem Bereich gegründet. Etliche Firmen haben begonnen ihre Forschung auszuweiten und zu versuchen Kondensate medikamentös anzusteuern um dadurch, so die Hoffnung, „das Unheilbare mit Medikamenten heilbar“ zu machen. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass es in Zukunft möglich sein wird, die Dynamik von Proteine, die mit konventionellen Medikamenten nicht behandelbar sind, wie beispielsweise Transkriptionsfaktoren, virale Matrixproteine und RNA-bindende Proteine, die sich aber im Inneren solcher Kondensaten befinden, so zu verändern, dass sich ihre Funktion sowohl hoch- als auch herunterregulieren lässt.

Anthony Hyman erhielt 1987 seinen Doktortitel vom Laboratory of Molecular Biology (MRC) in Cambridge, Großbritannien. Von 1988-1992 war er in San Francisco als promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität von Kalifornien tätig. Im Jahr 1993 wurde er Forschungsgruppenleiter am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg, bevor er 1999 als einer der Gründungsdirektoren des Max-Planck-Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) nach Dresden wechselte. 2007 wurde er zum Fellow der Royal Society gewählt und 2011 mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ausgezeichnet. Zuletzt erhielt er im Jahr 2017 die Schleiden-Medaille der Deutschen Nationalen Akademie der Naturforscher Leopoldina und 2020 wurde er zum internationalen Mitglied der amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften gewählt.

Cliff Brangwynne erhielt 2007 einen Doktortitel in Angewandter Physik von der Universität Harvard. Von 2007 bis 2010 war er als Postdoc am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik und am Max-Planck-Institut für die Physik komplexer Systeme tätig, bevor er 2011 an die Universität Princeton wechselte, wo er derzeit als Professor an der Fakultät für chemische und biologische Verfahrenstechnik und als Forscher am Howard Hughes Medical Institute tätig ist. Er hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter einen Searle Scholar, den NSF CAREER Award, den NIH New Innovator Award, den ASCB Emerging Leader, den Sloan Fellow, den Blavatnik Award und 2018 wurde er mit dem angesehenen MacArthur Fellowship ausgezeichnet.

Im Februar 2020 haben Anthony Hyman und Cliff Brangwynne den Wiley Prize in Biomedical Sciences gemeinsam erhalten für ihre bahnbrechenden Studien in der Zellbiologie.

Pressemitteilung des HFSP

Der HFSP Nakasone Award wurde 2010 ins Leben gerufen. Bisherige Preisträger sind Karl Deisseroth (2010), Michael Elowitz (2011), Gina Turrigiano (2012), Stephen Quake (2013), Uri Alon (2014), James Collins (2015), Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier (2016), David Julius (2017), Svante Pääbo (2018), Michael Hall (2019) und Angelika Amon (2020).

Das Human Frontier Science Program wurde 1989 gegründet und fördert internationale Kooperationsprojekte und interdisziplinäre Forschung in den Lebenswissenschaften. Es wird im Jahr 2020 durch Beiträge der G7-Nationen zusammen mit der Schweiz, Australien, Indien, Israel, Neuseeland, Singapur, der Republik Korea und der Europäischen Union unterstützt. Mit seinen Kooperationsforschungsstipendien und Postdoktorandenstipendien hat das Programm über 4500 Preise vergeben, an denen mehr als 7500 Wissenschaftler aus der ganzen Welt beteiligt sind.