Das Altern von Proteintropfen

Wissenschaftler entdecken, wie Proteintröpfchen sich mit der Zeit vom flüssigen in einen festen Zustand verändern

Eine Maximal-Projektion, die Tröpfchen aus GFP-markiertem Protein (grün) zeigt, die koaleszierende Ereignisse durchlaufen. Die Tröpfchen altern schnell. Eingebettete Beads sind in Magenta dargestellt © Louise Jawerth, MPI-PKS / MPI-CBG

Viele Proteine bilden kleine Tröpfchen, die sich aus dem Zytoplasma der Zelle lösen, so wie sich Öl aus Wasser löst. Seit ihrer Entdeckung wurden diese flüssigkeitsähnlichen Proteintröpfchen bei unzähligen wichtigen biologischen Phänomenen identifiziert, von der Embryonalentwicklung über die Neurodegeneration bis hin zur DNA-Regulation. So wird zum Beispiel angenommen, dass die Lokalisierung von Proteintröpfchen an einer bestimmten Stelle während der frühen Entwicklung eines Wurms bestimmt, welche Zellen zu den Geschlechtsorganen des erwachsenen Wurms werden. In einem anderen Beispiel wird die Proteinkondensation zu Tröpfchen unter Zellstress mit dem Wachstum von Fasern in Verbindung gebracht, die mit der Neurodegeneration zusammenhängen, wie sie bei der Krankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) beobachtet wird.

Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Materialeigenschaften dieser Proteinkondensate mit der Zeit verändern. Allerdings fehlte bisher eine geeignete Messung und Beschreibung der Materialeigenschaften und ihrer Entwicklung mit der Zeit. Forscher des MPI für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) und des MPI für Physik komplexer Systeme (MPI-PKS) haben nun gemeinsam mit ihren Kollegen von der TU Dresden, dem EMBL Heidelberg und dem IMBA Wien diese Wissenslücke geschlossen. In ihrer Studie, die kürzlich in Science veröffentlicht wurde, zeigen die Wissenschaftler, dass Proteintröpfchen ein Alterungsverhalten zeigen, bei dem sie langsam von einem flüssigkeitsähnlichen in einen eher festkörperähnlichen Zustand übergehen. 

Louise Jawerth, Postdoktorandin in den Gruppen von Frank Jülicher und Tony Hyman und Erstautorin der Publikation, erklärt: "Um die zeitabhängigen Materialeigenschaften sorgfältig zu messen und zu charakterisieren, haben wir zunächst eine neue optische Technik entwickelt (Jawerth et al physical review letters 2018 121 (25), 258101)". Die ehemalige ELBE-Postdoktorandin am Zentrum für Systembiologie Dresden (CSBD) fährt fort: "Wir fanden dann heraus, dass die Tropfenalterung eine stark ansteigende Viskosität zeigt, was zu einem festkörperähnlichen Zustand führt. Unsere Studie legt nahe, dass die zeitabhängigen Materialeigenschaften durch unspezifische Mechanismen wie das Verklemmen von Molekülen entstehen." 

Frank Jülicher, Direktor am MPI-PKS und Mitglied des CSBD und des Exzellenzclusters "Physics of Life" (PoL) an der TU Dresden, fügt hinzu: "Eine ähnliche Alterung wurde auch bei anderen Materialien mit zeitabhängigen Eigenschaften beobachtet, wie z.B. bei herkömmlichem Glas, Kunststoffen, Gummi oder gewöhnlichen Haushaltsgegenständen wie Zahnpasta oder Mayonnaise. Indem wir eine Verbindung zu glasbildenden Systemen herstellen, öffnen wir ein Fenster, in dem wir eine Fülle von Erkenntnissen über diese anderen Systeme nutzen können, um Proteintropfen zu verstehen."

Der zweite Betreuer der Studie, Anthony Hyman, Direktor am MPI-CBG und Mitglied des CSBD, fasst zusammen: "Die Analogie zu traditionellen Gläsern legt auch nahe, dass die unspezifischen Wechselwirkungen, die zu einem festkörperähnlichen Zustand führen, weniger Energie zum Auflösen benötigen als beispielsweise im Vergleich zu einem Gel, das aus sehr starken Bindungen besteht. Außerdem könnten sie in Zellen als neuartige Stresssensoren eingesetzt werden. Weitere Untersuchungen zur Alterung in Proteintröpfchen können helfen, grundlegende biologische Fragen zu beantworten, zum Beispiel bei der Embryonalentwicklung oder der DNA-Transkription und um neurodegenerative Krankheiten besser zu verstehen. Umgekehrt kann es auch zu Erkenntnissen über die glasartige Alterung im Allgemeinen führen, die als eine der großen ungelösten Fragen der Festkörperphysik gilt."

Originalpublikation

Louise Jawerth, Elisabeth Fischer-Friedrich, Suropriya Saha, Jie Wang, Titus Franzmann, Xiaojie Zhang, Jenny Sachweh, Martine Ruer, Mahdiye Ijavi, Shambaditya Saha, Julia Mahamid, Anthony A. Hyman, Frank Jülicher: "Protein condensates as aging Maxwell fluids", Science, 11 Dec 2020: Vol. 370, Issue 6522, pp. 1317-1323
DOI: 10.1126/science.aaw4951